Ihr Leitfaden für Make-or-Buy-Entscheidungen

Standard- vs. Individualsoftware​

Unternehmen stehen bei IT-Projekten oft vor der Frage: Standardsoftware kaufen oder individuell entwickeln? Diese „Make-or-Buy“-Entscheidung beeinflusst maßgeblich den Projekterfolg. Der Vergleich mit einem Anzug veranschaulicht die Optionen: Standardlösungen sind wie Anzüge von der Stange – schnell verfügbar, aber nicht immer passgenau. Individualsoftware gleicht einem Maßanzug – perfekt zugeschnitten, jedoch aufwendiger. Zwischenlösungen wie Customizing bieten einen Mittelweg mit mehr Flexibilität bei moderatem Aufwand.

Inhalte

    Welche Kategorien gibt es?

    Im Gegensatz zum klaren Anzug-Vergleich ist die IT-Welt oft komplexer. Lösungen sind meist Teil eines Netzwerks aus Systemen und Schnittstellen, das Datenaustausch und Analysen ermöglicht. Zudem können Power-User mit Low-Code/No-Code eigene Prozesse umsetzen. Die verschiedenen Ansätze sehen wir uns im nächsten Kapitel genauer an.

    1. Standardsoftware

    Geeignet, wenn eine passende oder fast passende Lösung verfügbar ist. Prozesse müssen an die Anwendung angepasst werden. Vorteile: schnelle Verfügbarkeit, geringer Einrichtungsaufwand, niedrige Kosten. Individualisierung nur minimal möglich.

    2. Customizing

    Viele Standardlösungen lassen sich durch Konfiguration, Plugins oder Schnittstellen anpassen. So können bestimmte Prozesse mit geringem Entwicklungsaufwand abgebildet werden. Die Flexibilität bleibt begrenzt, aber die Wartbarkeit ist meist gut.

    3. Teilentwicklung

    Reichen die Customizing-Möglichkeiten nicht aus, kann ein Teil der Lösung selbst entwickelt werden – etwa bei Open-Source-Software oder für spezifische Prozessbereiche. Diese Variante bietet mehr Individualität, erfordert aber auch mehr Ressourcen.

    4. Vollständige Individualentwicklung

    Wenn keine Standardlösung passt oder ein hoher Differenzierungsbedarf besteht, kann eine komplett eigene Software entwickelt werden. Diese bietet maximale Flexibilität und kann langfristig mit dem Unternehmen mitwachsen – allerdings zu höheren Kosten und mit größerem Aufwand für Entwicklung, Wartung und Betrieb.

    Standardsoftware vs. Individualsoftware

    Die Wahl zwischen Standard- und Individualsoftware hängt von verschiedenen Faktoren ab. In der unten liegenden Tabelle finden Sie einen Überblick über alle Auswahlkriterien. Diese drei Faktoren spielen jedoch bei der Entscheidung die entscheidende Rolle:

    Teamgröße der IT-Abteilung

    Bei begrenzten Kapazitäten der IT-Abteilung ist der Einsatz einer Branchenlösung bzw. Standardsoftware mit geringfügigem Customizing sinnvoll. Bei Mischformen und Individualentwicklungen arbeitet die IT-Abteilung aktiv im Projektteam mit, um Wissenstransfer und Handlungsfähigkeit nach dem Go-Live sicherzustellen.

    Prozesse

    Eine kritische Evaluierung Ihrer Geschäftsprozesse ist essenziell. Prüfen Sie, ob Ihre Prozesse in der Software abgebildet werden müssen oder ob eine Anpassung an die Standardlösung möglich ist. Diese Analyse schafft Klarheit über die Prozesslandschaft und bietet Optimierungspotenzial. Vermeiden Sie: „Wer einen schlechten Prozess digitalisiert, hat einen schlechten digitalen Prozess.“

    Low-Code und Pro-Code

    Zur einfachen Erweiterung von Standardsoftware werden häufig Low-Code-Apps genutzt – sie enthalten fertige Bausteine und erfordern keine Programmierkenntnisse. Bei Individualsoftware wird der Code von Grund auf geschrieben (Pro-Code), um spezifische Anforderungen umzusetzen.

    Auswahlkriterien

    Die Tabelle zeigt verschiedene Optionen im Vergleich anhand zentraler Auswahlkriterien.

    Branchenlösung
    Customizing
    Teilentwicklung
    Individual

    Projektkosten

    Gering

    Gering

    Mittel

    Hoch

    Lizenzkosten

    Hoch

    Mittel

    Gering

    Gering bis keine

    Betriebskosten

    -

    -

    Gering

    Gering bis mittel

    Gesamtkosten

    Abhängig von Mitarbeiteranzahl (Lizenzen); hohe Kosten gleichbleibend

    Abhängig von Mitarbeiteranzahl (Lizenzen), Customizing-Aufwand (Low-Code); geringere Kosten nach Abschluss der Customizing-Phase

    Abhängig von Mitarbeiteranzahl (Lizenzen), Customizing-Aufwand (Low- und Pro-Code); geringe Betriebskosten; geringere Kosten nach Abschluss der Customizing-Phase

    Keine Lizenzkosten; höherer Customizing-Aufwand durch Pro-Code; geringe Betriebskosten

    Aufwand

    Schnelle direkte Bereitstellung; wenig Initialeinrichtung notwendig

    Schnelle direkte Bereitstellung; geringer Zeitaufwand für Customizing (Low-Code)

    Bereitstellung der Standardlösung; moderater Zeitaufwand für Customizing (Low- und Pro-Code)

    Größerer Zeitaufwand für initiale Benutzung; abhängig vom Projekt; Freischaltung von Milestones möglich

    Schulung

    Mitarbeiterschulung insbesondere bei Prozessänderung und Neueinführung der Software

    Mitarbeiterschulung insbesondere bei Prozessänderung und Neueinführung der Software

    Mitarbeiterschulung insbesondere bei Prozessänderung und Neueinführung der Software

    Intuitive Benutzerführung; Berücksichtigung der unternehmensspezifischen UX; geringer Schulungsaufwand

    Anpassungsmöglichkeiten

    Kaum möglich

    Geringfügig möglich

    Größere Anpassbarkeit möglich; Oberfläche eingeschränkt; Businesslogik großzügig anpassbar

    Volle Anpassbarkeit (UI und Backend)

    Updates

    Hängt vom Softwarehersteller ab; üblicherweise feste Release-Zyklen

    Hängt vom Softwarehersteller ab; üblicherweise feste Release-Zyklen mit der Möglichkeit, neue Releases in der DEV-Umgebung vorab zu testen; Customizing von Releases eher nicht betroffen

    Hängt vom Softwarehersteller ab; üblicherweise feste Release-Zyklen mit der Möglichkeit, neue Releases in der DEV-Umgebung vorab zu testen; Customizing von Releases eher nicht betroffen

    Updates und Releases abhängig vom Projektkontext; volle Kontrolle

    Flexibilität der Anwendung

    Wenig bis keine Flexibilität

    Wenig Flexibilität

    Moderate Flexibilität

    Volle Flexibilität

    Skalierbarkeit

    Skaliert als SaaS-Lösung voll mit

    Skaliert als SaaS-Lösung voll mit

    Skaliert als SaaS-Lösung voll mit; PaaS-Lösungen entsprechend der Einrichtung

    Volle Kontrolle bei der Skalierbarkeit der Cloud-Services

    Support

    Support für Standardsoftware meist inklusive

    Support für Standardsoftware meist inklusive; Support für Customization im Rahmen eines Supportvertrags möglich

    Support für Standardsoftware meist inklusive; Support für Customization im Rahmen eines Supportvertrags möglich

    Support für Customization im Rahmen eines Supportvertrags möglich

    Integrationsaufwand

    Aufwändig, da Geschäftsprozesse an Software angepasst werden müssen

    Überschaubar, da fertige Integrationsbausteine existieren

    Gering, da zwischen Low- und Pro-Code-Integration entschieden werden kann

    Gering, da die Lösung komplett an Prozesse angepasst werden kann

    Schnittstellen

    Hängt vom
    Softwarehersteller ab; teilweise durch Aufpreis möglich

    Bietet Schnittstellen für Customizing

    Bietet Schnittstellen für Customizing (Low- und Pro-Code)

    Volle Kontrolle über die etwaige Bereitstellung von Schnittstellen

    Teamgröße der Unternehmens-IT-Abteilung

    Wenig bis keine personellen Kapazitäten benötigt

    Wenig personelle Kapazitäten benötigt

    Moderate personelle Kapazitäten benötigt

    Hohe personelle Kapazitäten benötigt

    Fazit

    Es gibt keine pauschale Antwort auf die Frage „Standard oder individuell?“. Die Entscheidung sollte auf einer sorgfältigen Analyse der eigenen Anforderungen, Ressourcen und Ziele basieren. In vielen Fällen kann auch eine hybride Lösung – also eine Kombination aus Standardsoftware mit gezieltem Customizing oder Teilentwicklung – der optimale Weg sein.